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Corina Lendfers

Entscheidungen und die Angst vor Konsequenzen


Entscheidungen gehören zu unserem Leben wie das Atmen. Wir treffen sie täglich in großer Zahl. Die meisten Entscheidungen treffen wir unbewusst. Aufstehen. Anziehen. Ok, wir überlegen uns, was wir anziehen, aber meistens nicht, ob wir uns anziehen. So geht es den ganzen Tag, bis wir uns abends dafür entscheiden, schlafen zu gehen.


Die meisten Entscheidungen haben keinen wesentlichen Einfluss auf unser Leben, es ist nicht wichtig, ob wir uns so oder so entscheiden. Ob wir heute Mittag einen Salat, einen Burger oder Sushi essen, beeinflusst höchstens unsere aktuelle Stimmung und unser Sättigungsgefühl, nicht aber die Qualität unserer Liebesbeziehung.


Manche Entscheidungen sind größer als andere. Die Entscheidung, wohin wir in den Urlaub fahren, ob wir uns ein neues Auto leisten oder eine Weiterbildung beginnen wollen. Manche Entscheidungen fallen uns leicht, an anderen verzweifeln wir fast. Viele Entscheidungen können rückgängig gemacht oder korrigiert werden - ein unüberlegter Online-Kauf, ein überstürztes Date, die Wahl des Fernsehsenders. Nur ganz wenige Entscheidungen sind irreversibel. Die Entscheidung, Kinder zu bekommen. Oder unser Leben zu beenden.


Obwohl wir alle von Natur aus Meister im Entscheiden sind, drücken wir uns oft um die wirklich wichtigen Dinge.


In großen Fragen überlassen wir die Verantwortung lieber anderen.

Berufswahl. Hast du dich bewusst für deinen aktuellen Beruf entschieden, oder ist es "halt einfach so gekommen"?

Partnerwahl. Hast du dich bewusst für deinen Partner entschieden, oder ist er dir "halt einfach über den Weg gelaufen"?

Lebensumfeld. Hast du dich bewusst für deine Wohnung/dein Haus/deine Umgebung entschieden, oder hast du "halt nichts anderes gefunden"?

Gesundheit. Hast du dich bewusst entschieden, gegen deine Krankheit diese Medikamente zu nehmen, oder hat dir "der Arzt das halt verschrieben"?

Finanzen. Hast du dich bewusst für deine aktuelle finanzielle Situation entschieden, oder geht es "halt nicht anders"?


Woher kommt diese Scheu vor wirklich wichtigen, großen Entscheidungen? Warum lassen wir häufig lieber alles beim Alten, anstatt es zu verändern, obwohl das Alte bereits verstaubt ist und unsere Lebensqualität auf einem tieferen Niveau hält, als es möglich wäre? Ein Grund ist sicherlich der:


Wir merken oft gar nicht, dass sich unsere Situation negativ verändert.

Es ist mit vielen Situationen in unserem Leben wie mit einem Zimmer mit geschlossenen Fenstern: Wir betreten es, beginnen zu arbeiten, halten uns stundenlang darin auf und merken meist gar nicht, dass die Luft immer schlechter wird. Erst, wenn wir das Zimmer verlassen oder wenn jemand hereinkommt und das Fenster öffnet, nehmen wir das niedrige Sauerstoffniveau wahr, in dem wir uns aufgehalten haben. Im Leben sind es dann häufig Krankheiten oder andere Krisen, die unser Bewusstsein schärfen und uns zwingen, uns mit einer Entscheidfindung auseinanderzusetzen.


Ein anderer Grund, warum wir uns gerne um wichtige Entscheidungen drücken, ist die Angst vor den Konsequenzen. Bei den wirklich großen Fragen können wir nicht wissen, wie sich unsere Entscheidung, die wir heute treffen, mittel- oder sogar langfristig auf unser Leben auswirken wird. Wir wissen nicht, ob wir in zehn Jahren gut mit der Entscheidung für eine Abtreibung leben können oder ob wir darunter leiden werden. Wir wissen nicht, ob wir in dem Beruf, für den wir uns heute entscheiden und in dessen Ausbildung wir viel Zeit und Geld investieren, für lange Zeit zufrieden sein werden. Wir wissen nicht, ob wir mit dem Menschen, den wir heiraten, auch in zwanzig Jahren noch zusammenleben wollen. Wir wissen nicht, wie sich der Kurs der Aktien entwickeln wird, in die wir unser halbes Vermögen investieren möchten.


Die Angst vor unabsehbaren Konsequenzen hindert uns daran, wichtige Entscheidungen zu treffen.

Diese Angst ist durchaus menschlich. Aber sie muss nicht sein. Sie kann aufgelöst werden. Je gründlicher wir uns mit der Frage, die wir entscheiden müssen, auseinandersetzen, desto fundierter können wir unsere Entscheidung treffen, und desto weniger Angst haben wir vor möglichen Konsequenzen. Dabei geht es in der Auseinandersetzung einerseits um inhaltliche Fakten, andererseits um unsere persönlichen Bedürfnisse. Je besser wir uns und unsere Bedürfnisse kennen, desto fundierter wird die Entscheidung, die wir treffen - und desto besser werden wir mit unabsehbaren Konsequenzen umgehen können. Dabei ist eine Erkenntnis wichtig: Wir können uns immer nur aus unserer gegenwärtigen Situation heraus entscheiden. Damit gehen wir immer das Risiko ein, dass wir rückblickend anders entscheiden würden. Je gründlicher wir uns aber in der Phase der Entscheidfindung mit der Fragestellung auseinandergesetzt haben, desto kleiner ist dieses Risiko. Und selbst, wenn wir zehn Jahre später eine Entscheidung anders treffen würden, weil sich vielleicht alles anders entwickelt hat, als wir erwartet oder gehofft haben, so haben wir dennoch profitiert: Wir haben neue Erfahrungen gemacht und uns weiterentwickelt.


Wichtige Entscheidungen zu treffen ist immer ein Ja zu Wachstum und Entwicklung.

Ganz unabhängig davon, wie wir das Ergebnis der Entscheidung im Nachhinein bewerten.

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